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Amtskirche und Basis, Bescheidenheit und Ehrlichkeit

Du bist öfters mit Deinen Eltern in der Kirche.

Um ihnen einen Gefallen zu tun ?
Ich hatte das Glück, in mehreren sehr aktiven Gemeinden aufzuwachsen. Erst in Mün- chen-Giesing, wo ich in den Kindergarten gegangen bin. Da war schon ein sehr akti- ves Leben, von den Eltern her schon. Dort waren wir in einer sehr aktiven Gruppe und das war positiv. Später in Taufkirchen ging das dann noch weiter. Das war eine junge, revolutionäre Gemeinde, die auch sehr modern angehaucht war.

Die Gemeinde ist damals neu aufgebaut worden

Wir hatten damals noch einen Barackenbau, die Kirche gab es noch gar nicht. Das Wesentliche waren die Jugendgruppen, in die wir eingebunden waren und in denen wir auch mitwirken konnten.
In der Pubertät denkt man doch schon einmal verschärft drüber nach ?

Bei mir kamen erst mit dem Beginn des Studiums Fragen auf. Da brechen die Ver- knüpfungen auseinander. Und dann war für mich nicht der Glaube das Problem, sondern die Kirche. Ich kam mit der Institution nicht mehr klar, mit dem Glauben aber schon.

Wie war das mit dem Glauben ?

Ich fühle mich persönlich als Marionette. Ich habe immer das Gefühl, ich bin fremd- gesteuert. Ich brauche mich um gar nichts kümmern. Es passiert einfach. Und ich habe auf jede Frage nach dem „Warum?“ ein „Darum!“ bekommen, wenn auch oft erst Jahre später.

Gib mir ein Beispiel dazu!

Ich wollte unbedingt Medizin studieren. Aber an diesem Tag, an dem diese Sonderauswahl stattgefunden hat, da waren alle Verkehrsmittel blockiert. So als ob jemand zu mir sagen wollte: Das ist nichts für dich, Du musst einen anderen Weg gehen. Ich habe immer das Gefühl gehabt, ich werde geschubst und gelenkt. Es war am Schluss alles immer gut. Und das zu wissen, ist einfach schön.

Noch eine Geschichte: Wir sind an einem sehr stürmischen Tag bei einer Wanderung in einen Wald hineingegangen und wir wollten rechts abbiegen. Ich hatte aber den Eindruck, wir sollten lieber geradeaus gehen. Wir gehen geradeaus und in dem Moment fällt rechts der Baum um. Wir wären genau darunter gewesen. Das war auch so ein „Warum-darum!“-Erlebnis.

Ich habe jetzt vor nichts mehr Angst, weil ich weiß, es geht immer wieder weiter. Und auch, wenn es schwere Entscheidungen sind.
Manche Leute beten in solchen Situationen.
Stoßgebete, ja. Oder in Entscheidungen, mit Sicherheit. Da halte ich eine Art von Zwiesprache, ja. Ich darf mich nicht darauf versteifen, dass mir alles gegeben werden muss, worum ich bitte, das wäre zu einfach.

Es geht oft anders in Erfüllung, als man denkt.

Ja, und dann hat es auch einen Grund. Und das „Darum!“ kann man oft erst viel später nachvollziehen. Aber das „Darum!“ gibt es und es ist immer da.
Nochmals zurück zum Gegensatz Kirche-Glaube.
Ich muss zwischen Amtskirche und Basis unterscheiden. Und die Basis ist nicht schlecht. Im Gegenteil, da wird sehr viel wertvolle Arbeit geleistet. Aber in der Amts- kirche muss sich was tun. Sonst wird es irgendwann einmal eng. Es gibt Probleme, die werden sich von alleine lösen. Wenn der Priestermangel einmal so groß ist, dann wer- den sie auch einmal über die Frauen nachdenken. Das werden wir in dreißig Jahren gar nicht mehr diskutieren.

Du warst schon mit 11 Jahren einmal in Rom ...

Das war schon faszinierend, dieser Vatikan. Was mich aber schon als Kind abgestoßen hat, war dieser unsägliche Reichtum. Und anderswo auf der Welt verhungern die Menschen. Das passt nicht zusammen. Ich kann mir Jesus nicht im Petersdom sitzend vorstellen. Ich glaube nicht, dass das von ihm so gewollt war.

Und Papst Franziskus ?

Der Pfarrer Rosner hat letzten Sonntag gesagt: „Der neue Papst kommt mit zwei Zimmern aus. Aber unser erzbischöfliches Palais wird mit Millionenaufwand renoviert“. Ich denke, da dreht es vielen Leuten den Magen um. Und wenn ich an die neuesten Schlagzeilen mit der Vatikanbank denke und mit der Korruption. Es passt vieles nicht zusammen: Dieser übermäßige Protz, die fehlende Ehrlichkeit, der Umgang mit Problemen. Die müssen einfach wieder zu Bescheidenheit und Ehrlichkeit zurück. Da muss sich etwas ändern, sonst wird das eine Schieflage. Als Steuerberaterin sehe ich ja, wie viele Austritte kommen.

Und wie sind deiner Meinung nach die Aussichten ?

Die Zeit arbeitet heute ja komplett gegen die Kirche. Ich hätte heute als Jugendlicher vermutlich auch Probleme. Die sagen schon einmal: Ich glaube an Gott. Aber mit der Kirche haben sie nichts am Hut.
Und woran liegt das ?

Es sind viele Dinge „hinzugefügt“ worden, die in keiner Weise mit der Bibel in Ver- bindung zu bringen sind. Die „eingeschoben“ wurden. Wo steht zum Beispiel, dass Frauen nicht Priester werden dürfen?
Geht unser Weg vielleicht ganz wo anders weiter: bei den Menschenrechten, bei der Aufklärung, bei der Frauenbewegung? Geht der Weg beim säkularen Wertesystem weiter ?

Ich habe oft mehr Respekt vor Leuten, die sagen, Kirche interessiert mich nicht, aber die ein deutlich christlicheres Leben leben als andere, die bigottisch jeden Sonntag in die Kirche rennen. Da muss ich sagen: Hut ab!
Was findest du gut, wenn du am Sonntag in die Kirche gehst ?

Gemeinschaft, erst einmal. Es gibt mir ein Stück Ruhe und ein Stück Kraft mit. Das braucht man manchmal, um die nächste Woche zu überstehen. Es muss nicht am Vor- mittag sein, manchmal ist es abends schöner. Es war ja auch ein „Abendmahl“ und nicht ein „Brunch“ (lacht).

Steuerberaterin