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Ansprache zum Thema "Sexueller Missbrauch in der Kirche"

3. Sonntag im Jahreskreis C (2. Lesung + Mk 9,37ff (26. So JK B)

gehalten am 22. und 23. Januar 2022 in Agatharied und Hausham anlässlich der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens der Diösese München Freisung.
Von Gemeindereferent Johannes Mehringer

 

„Ich wars nicht“
So hört man das manchmal bei Kindern.
„Ich wars nicht“, so könnte man einen Teil der Reaktionen auf den Punkt bringen, wie Verantwortliche in unserer Diözese auf die Vorwürfe des Gutachtens reagieren.

Liebe Mitchristen, liabe Leid,
angesichts der Veröffentlichung dieses Gutachtens und dieser schreck­lichen Taten, möchte ich heute einmal Stellung beziehen, auch mit Blick auf die Hl. Schrift.
So schrecklich die Taten, die Hintergründe sind – die Gutachter spre­chen von einer Bilanz des Schreckens – ich bin froh um die Transpa­renz in diesem Fall. 
Das sehr umfangreiche -->Gutachten mit 1893 Seiten ist frei zugänglich, inkl. auch vieler Stellungnahmen der Verantwortlichen – jeder kann sich ein eigenes Bild machen. 
Damit ist man einen Schritt weiter.


Missbrauch in der Kirche:

Einordnung

  • Sexueller Missbrauch ist ein gigantisch großes Problem: Man geht davon aus, dass ca. jedes 5. Mädchen und jeder 20. Junge betroffen ist.
  • Und ohne die kirchliche Schuld relativieren zu wollen muss auch betont werden: Die meisten Fälle von sexuellem Missbrauch geschehen innerhalb der Familie oder des familiären Umfeldes.


Jeder einzelne Missbrauch ist ein absolutes no go.
Und die unzähligen Missbrauchstaten hier in der Kirche in den letzten Jahrzehnten, auch in unserer Diözese, sind aufs Schärfste zu verurtei­len. Die beschuldigten Verantwortlichen wollen den Zeitgeist, eine an­dere Rechtsprechung und fehlendes Wissen berücksichtigt wissen. Dies führt aber nicht weiter: Auch damals waren solche Taten strafbar und innerhalb der kath. Morallehre verboten. 
Umso mehr ist es für mich zutiefst beschämend, wie man in den ver­antwortlichen Ebenen reagiert hat:

  • Dass man fast immer den Tätern, nur kaum den Opfern ge­glaubt hat:
  • Dass der Blick vor allem darauf gerichtet war, die Kirche zu schützen, statt das Unrecht zu sehen.
  • Dass die Personalakten so mangelhaft geführt wurden,
  • Dass man Täter wiederholt an anderen Stellen eingesetzt hat…

Angesichts des Leides, das damit verursacht wurde, einfach unfassbar.
Bei Paulus heißt es: Wir sind in Christus ein Leib. Wenn ein Teil, ein Glied leidet, dann leiden alle anderen Teile des Leibes mit.
Genau so ist es. Wir alle, die ganze Kirche, leidet mit. Und mit dem Wegschauen und der zögerlichen Aufarbeitung, mit der leider typisch menschlichen Haltung „ich wars nicht“ wurde alles noch viel schlim­mer.
Zum heute bewusst ausgewähltem Evangelium:
„Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde.“
Nach dem Neutestamentler Prof. Thomas Söding (Professor an der Ruhr-Universität Bochum und Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken) gibt es keine andere Stelle in den Evangelien, wo so dicht und so scharf vom Gericht über Sünder gesprochen wird. Die Jünger, denen diese Worte gelten, sol­len vorbeugend vor einer tödlichen Gefahr gewarnt werden.(-->zum Beitrag von Prof. Söding)
Wenn hier von den Kleinen die Rede ist, dann sind im Weiteren Sinne alle gemeint, die arm und schwach sind, aber vor allem auch die Kin­der: Jesus ist ein wahrer Freund der Kinder, wie an anderen Stellen deutlich wird. Kinder, die glauben, denen nimmt er sich deswegen besonders an, weil er genau weiß, wie tief sie verwundet werden können, wenn sie auf Gott vertrauen, wenn sie Dienern Gottes vertrauen und dieses Vertrauen und sie selbst missbraucht werden.
Interessanterweise stehen – im Gegensatz zum oftmaligen Handeln der Kirche in unserer Zeit – bei Jesus zuerst die Opfer im Blick, dann erst die Täter.
Ein Mühlstein um den Hals des Täters,  das befriedigt natürlich das menschliche Rachebedürfnis. Aber was hilft eine Strafe den Opfern? Strafe kann nichts ungeschehen und nichts wieder gut machen. Aber: Um der Gerechtigkeit willen muss Strafe sein. 
Deshalb richtet Jesus sein scharfes Prophetenwort gegen die mögli­chen Täter: Es geht ihm um Prävention: Wenn er sagt, Hand, Fuß und Auge sollen abgehackt werden, dann meint er es bildlich: Das Böse soll mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Das Übel muss an der Wurzel gepackt werden. 
Und er geht noch weiter: Wer das Leben anderer zerstört, macht auch sein eigenes Leben kaputt.
Gleichzeitig dürfen wir nie vergessen, was Jesus auch zu uns sagt: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ oder: Wer ohne Sün­de ist, der werfe den ersten Stein“.
Und ein letztes in theologischer Sicht:
So vieles, was den Kleinen angetan worden ist, ist in dieser Welt, in diesem Leben gar nicht wiedergutzumachen. Wenn es kein ewiges Le­ben, keinen Tod und keine Auferstehung gäbe – es wäre zum Verzwei­feln.

 

Zum Schluss, liebe Mitchristen, ein Ausblick und Appell.
Es darf nicht bei Worten bleiben: Es darf nicht dabei bleiben: „Ich wars nicht“.

Die Kirche muss sich ändern.

Wer ist mit Kirche gemeint:

  • Die Diözese:
    Im Gutachten wird der Diözesanleitung auch bestätigt, dass sich vieles deutlich verbessert hat. Und gleichzeitig appelliere ich, mit großer Transparenz die wunden Punkte anzugehen, 
  • Die Pfarreien:
    Seit einigen Jahren versuchen wir in unseren Pfarreien noch viel genauer auf das Thema zu schauen, es werden Führungs­zeugnisse eingefordert, Schulungen gemacht etc. 
    Auch ein eigenes Schutzkonzept wurde vor einem Jahr erstellt und ist öffentlich zugänglich.
    Mein Appell gilt mir und meinen KollegInnen, weiterhin genau hinzuschauen und das Mögliche zu tun, um Kinder zu schüt­zen. 
  • Jeder Einzelne:
    Wie gesagt findet Missbrauch vor allem im familiären Umfeld statt, so dass ich an jeden Christen appelliere, die Augen offen zu halten und alles Erdenkliche zu tun, dass keine Kinder zu schaden kommen.

 

Jesus – als wahrer Freund der Kinder – hat uns aufgetragen, uns vor al­lem den kleinen, den Schwachen zu widmen. Amen.

J. Mehringer